Offener Brief an die FDP-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag

Berlin, den 01.12.2009

Sehr geehrte Frau Homburger,

die sich in den letzten Wochen zuspitzende Debatte um die Einführung und praktische Ausgestaltung des geplanten Betreuungsgeldes wird innerhalb der Liberalen Arbeitnehmer bereits seit längerem intensiv beobachtet und diskutiert. Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Regelung, wonach ab 2013 jede Familie, welche ihr Kind zuhause erzieht, einen Rechtsanspruch auf ein monatliches Betreuungsgeld von 150€ hat, erfüllt uns aus verschiedenen Gründen mit großer Sorge.

Erstens ist es in der derzeitigen Finanzlage des Bundes nicht vertret- und vermittelbar, zusätzlich zu den ohnehin schon gewährten Familienleistungen, welche im internationalen Vergleich zu den üppigsten gehören, weitere Boni zu gewähren. Deutschland braucht keinen Wettlauf der kinderfreundlichsten Parteien. Deutschland braucht ein passgerechtes und effektives System der Familienförderung. Die FDP hat dazu in der vergangenen Legislaturperiode Vorschläge wie das Gutschein-Modell entworfen, welche absolut in die richtige Richtung gehen. Wir bitten Sie und Ihre Fraktions-Kollegen, diese auch weiterhin mit allem Nachdruck zu verteidigen.

Zweitens sendet die Einführung einer Betreuungsprämie ein verheerendes Zeichen an die moderne Gesellschaft. Entgegen der öffentlichen Predigt aus Ländern wie Bayern wird doch niemand gezwungen, sein Kind in die KITA zu geben. Es obliegt den Eltern, ihre Kinder auch zuhause zu erziehen. Die Argumentation der Konservativen, daheim erziehende Familien würden benachteiligt, da ihnen ein Erwerbseinkommen fehle, ist doch nicht die Schuld derjenigen Familien, die, um arbeiten zu können, ihre Kinder in den Kindergarten schicken. Und es ist schon gar nicht die Schuld des Staates, wenn Eltern der Ansicht sind, ihre Kinder ohne den spielerischen Kontakt mit gleichaltrigen Kindern aufwachsen zu lassen. Wir bitten Sie, deutlich zu machen, dass die von CDU/CSU vorgebrachten Argumente jeder realen Grundlage entbehren und daher nicht dazu taugen, eine Erziehungs- und Wertedebatte zu führen.

Drittens werden Paare, bei denen ein Elternteil zur Betreuung des Kindes auf die Rückkehr in den Job verzichtet, bereits heute in Form von Steuererleichterungen gegenüber Doppelverdiener-Familien besser gestellt, da bei ihnen die Steuerbelastung des arbeitenden Elters mit der (fiktiven) Steuerbelastung des/der Erziehenden (0%) addiert und durch zwei geteilt wird. Demgegenüber werden Familien mit Kindern, in denen beiden Ehepartner arbeiten, durch die Existenz der Steuerklasse IV um einen Großteil ihres sauer verdienten Geldes gebracht. Wir bitten Sie, diese Problematik in die gegenwärtige Debatte einzubeziehen, um ihren Koalitionspartner endlich zur Vernunft zu bringen.

Viertens befürchten wir durch die finanziellen Mehraufwendungen für das Betreuungsgeld eine sich verschärfende Diskrepanz zwischen den familienpolitischen Zielen der Bundesregierung und den realen finanzielle Handlungsspielräumen. Die Bundesregierung hat in den Koalitionsverhandlungen das Ziel bekräftigt, ab dem Jahr 2013 jedem Kind ab dem zweiten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen KITA-Platz zu gewähren. Um dies zu gewährleisten, müssten insgesamt 700.000 neue KITA-Plätze entstehen. Dies entspricht einem Jahreszuwachs von circa 68.000 Betreuungsplätzen. Da besonders im Westteil des Landes an Betreuungsplätzen mangelt, müsste der überwiegende Teil der Plätze in den Alten Ländern geschaffen werden. Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes beweisen jedoch, dass ein nicht unerheblicher Teil der neu geschaffenen Plätze auf die Anstrengungen der Neuen Länder zurückzuführen ist. Die Forscher stellen hierbei die These auf, dass, sollte sich diese Tendenz auch in den kommenden zwei Jahren fortsetzen, das Ziel, im Jahr 2013 eine Angebotsquote von 35% zu schaffen, weit verfehlt werden wird. Es wäre daher sinnvoll, die für das Betreuungsgeld veranschlagten Haushaltsmittel umzulenken und für die Schaffung neuer Betreuungsplätze zu verwenden. Damit würde es nicht nur den Eltern ermöglicht, in ihren Beruf zurück zu kehren. Die Kinder erhielten auch den für die frühkindliche Bildung elementaren Kontakt zu ihren gleichaltrigen Altersgenossen.

Wir bitten Sie, unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes auf Korrekturen in der Mittelverwendung zu drängen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Lesch
Vorsitzender Liberale Arbeitnehmer Sachsen e.V..

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