Kommentar zum offenen Brief an Dr. Guido Westerwelle
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Lesch,
dass 20 Jahre nach seiner Einführung über den Solidaritätszuschlag im Allgemeinen und über die Verwendung der Gelder im Besonderen nachgedacht und diskutiert werden muss, steht außer Zweifel. Hier sind dringend umfangreiche strukturelle Korrekturen erforderlich, um zu einer effektiveren Verwendung der Steuergelder zu kommen und Missbräuche zu unterbinden. Auch über eine Senkung des Hebesatzes oder die teilweise Verwendung der Steuereinnahmen zum Abbau des Investitionsstaus auf allen Ebenen in den alten Bundesländern kann man reden.
Aber einer Bundesratsinitiative der FDP zur ersatzlosen Streichung des Solidaritätszuschlages kann ich keinesfalls zustimmen. Schon gar nicht aufgrund der Analysen und Vermutungen irgendeines Institutes. Die allermeisten dieser Analysen und so genannten „Expertengutachten“, sind nicht wirklich objektiv sondern eher geprägt von der politischen Grundeinstellung desjenigen, der sie erstellt und den Wünschen und Vorstellungen derjenigen, die sie in Auftrag geben. Und obendrein kosten sie noch einen Haufen Geld.
Die neuen Bundesländer können, meiner Meinung nach, auf die Einnahmen aus dem „Soli“ noch nicht verzichten. Sie müssten ihre immer noch an allen Ecken und Enden notwendigen Investitionen zurückfahren und das wäre nicht nur nachteilig für ihre weitere Entwicklung, sondern auch kontraproduktiv gegenüber allen Bemühungen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Über all das hinaus sind wir mittlerweile an dem Punkt angekommen, an dem die FDP sagen muss, wie die Gegenfinanzierung der Steuersenkungen aussehen soll. Allein durch den prognostizierten Wirtschaftsaufschwung können die Einnahmeausfälle nicht kompensiert, der Schuldenabbau begonnen und die Einhaltung der Maastrichter Beschlüsse erreicht werden. Also muss gesagt werden, wo das Geld, das gebraucht wird, herkommen soll. Und hier sollte, nein hier muss die FDP, allein schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit, die Initiative ergreifen. Und zwar jetzt!
Es gibt, Herr Lesch, genügend Möglichkeiten, eine seriöse Gegenfinanzierung der Steuersenkungen durch Einsparungen und Reformen auf die Beine zu stellen, ohne nennenswerte Einschnitte in das soziale Netz vornehmen zu müssen. Ich denke da z. B. an eine gründliche Reform der Mehrwertsteuerhebesätze (Medikamente, Heilmittel 19%, Blumen, Ziersträucher und Zimmerpflanzen 7% ??) und an eine Verschlankung des völlig ausgeuferten Verwaltungsapparates durch Entbürokratisierung und Rationalisierung. Hier könnten von Flensburg bis Bad Reichenhall Millionenbeträge eingespart und obendrein sowohl die Bürger wie auch die Wirtschaft spürbar entlastet werden. Der in den letzten Legislaturperioden entstandene, unglaubliche Wust an Gesetzen, Verordnungen, Bestimmungen und Vorschriften verursacht nicht nur gewaltige Kosten, sondern er ist auch ein dicker Hemmklotz für die Wirtschaft. Weiterhin gehören alle Subventionen und die milliardenschwere Entwicklungshilfe auf den Prüfstand. Auch hier werden mit Sicherheit enorme Summen in den Sand gesetzt. Das größte Einsparpotential aber liegt bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Und hier vor Allem bei der Unterstützung des Krieges der Amerikaner in Afghanistan. Von wegen „wir verteidigen Deutschland am Hindukusch“ (Peter Struck) oder „wir verteidigen die Sicherheit Deutschlands in Afghanistan“ (Phillip Missfelder, CDU). Alles Schönfärberei. Genauso wie die jahrelangen Schwindeleien der großen Koalition. Deutschland unterstützt mit Waffengewalt die anmaßende Politik der Amerikaner, die sich einbilden, der ganzen Menschheit mit Lügen, Bomben und Raketen ihren „American Dream“ überstülpen zu können. Diesen Traum haben sie selbst schon lange zerstört. Seit Beginn des Militäreinsatzes in Afghanistan hat sich nichts, aber auch gar nichts gebessert. Weder dort noch hier in Europa oder Amerika. Im Gegenteil! Es wird von Jahr zu Jahr schlechter, kostet immer mehr Menschenleben, — auf beiden Seiten, — und verschlingt Milliardenbeträge. Am Ende wird es so sein, wie es immer war, wenn sich die Amerikaner mit ihren Armeen eingemischt haben: Sie sind mit einer blutigen Nase nach Hause gefahren haben unzählige Tote, zerbombte Städte und Dörfer hinterlassen, und die Grundlage für den nächsten Konflikt geschaffen. Den Menschen aber, denen sie mit Waffengewalt das Heil dieser Welt bringen wollten, ist es nach ihrem Abzug schlechter gegangen als jemals zuvor. (Korea, Vietnam, Irak). Wo und wann eröffnen diese Cowboys den nächsten Kriegsschauplatz? Im Iran, im Jemen oder wo? Das Säbelrasseln ist ja schon nicht mehr zu überhören. Und wir stecken mitten drin.
Auf der einen Seite machen wir Schulden wie die kaiserlich-königlichen Stabsoffiziere und auf der anderen Seite werfen wir Milliarden zum Fenster hinaus damit sich deutsche Soldaten umbringen lassen können und die Freiheit im eigenen Land immer mehr eingeschränkt wird. Für all das, Herr Lesch, habe ich nicht das geringste Verständnis und auch keinen Cent übrig. Ich bin mir darüber hinaus auch sicher, dass viele, ja sogar sehr viele Menschen im Land genauso denken und dass es der FDP sehr, sehr gut anstünde, hier und jetzt den Finger zu heben und einen Kurswechsel einzuleiten.
Ein frohes neues Jahr und freundliche Grüße!
Bernhard Huber
FDP-Orts- und Fraktionsvorsitzender
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