Diskussionsbeitrag von Klaus E. Hänsel: Wo ist eigentlich das Bürgergeld oder ist Hartz liberal?
Im Wahlprogramm der FDP zur letzten Bundestagswahl stand das Bürgergeld. Doch wo ist es geblieben? Statt diesen hervorragenden liberalen Gedanken mit Nachdruck zu verfolgen, verlegt man sich in der Regierung nun darauf mit dem Koalitionspartner an Verschlimmbesserungen der ohnehin völlig missratenen Hartz-Gesetzgebung der Vorgängerregierungen zu laborieren.
Vorausschicken möchte ich, dass ich als Liberaler natürlich auch grundsätzlich für Leistungsgerechtigkeit bin und dafür, dass der der arbeitet über mehr finanzielle Mittel verfügen muss, als der der nicht arbeitet.
Aber ich glaube auch, dass es einer Gesellschaft auf Dauer nicht gut tut, wenn ein Teil derselben am Rande der Existenzangst leben muss und mit diesem Zustand massiv unzufrieden ist. Tatsächlich hat die Hartz-Gesetzgebung dazu geführt, dass der soziale Abstand zwischen den glücklichen Inhabern einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit und denen, die eine solche nicht haben, riesengroß geworden ist. Dazwischen herrscht gähnende Lehre und eine Zwei-Klassen-Gesellschaft beginnt zu entstehen, nämlich mit denen die Arbeit haben und denen, die keine haben. Der Wechsel zwischen diesen Lagern wird mit zunehmendem Abstand schwieriger; die Geschlossenheit unserer Gesellschaft bröckelt.
Ich bezweifle, dass der adminstrative Aufwand, mit welchem derzeit die Berechtigung zur Beziehung sozialer Hilfen überprüft und bemessen wird, gerechtfertigt ist. Natürlich wird es immer echte Bedürftige geben, die – unverschuldet und vorübergehend – nicht mehr selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können und es wird die „Findigen“ geben, die es sich im sozialen Netz unseres Staates bequem machen.
Die derzeitige Zuteilungs-Praxis demütigt jedoch die, die wirklich Hilfe brauchen und eliminiert doch nicht die, die arbeitsunwillig sind. Letztere Schein-Bedürftige wird es in jeder Gesellschaft immer geben. Ich glaube jedoch, dass dies die Minderheit der Gesamtzahl ist. Ich bin der Auffassung, dass sich eine Gesellschaft, wie die unsere, auch Schein-Bedürftige, Faule und Findige leisten wollen und können muss. Ich glaube auch, dass ein vorbedingungsloses Bürgergeld ohne jede Bedarfsprüfung nicht mehr kosten wird, als das bisherige System, weil die riesigen, dann entfallenden Kosten der notwendigen Administration nicht niedriger wären, als wahrscheinliche „Zuwendungsverluste“ an nicht wirklich Bedürftige.
Zudem wird mit dem Hartz IV – System GLEICHMACHEREI betrieben, was liberalen Grundprinzipien fundamental zuwider läuft. Es ist doch ungerecht, dass Einer, der jahrzehnte in Arbeit stand und in das Sozialversicherungssystem eingezahlt hat, schon nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit GLEICH und damit genau so schlecht gestellt wird, wie Einer der noch NIE einen Betrag für die soziale Sicherung in unserem Staat leistete. Das ist ungerecht an sich, aber auch unangemessen, weil natürlich die persönlichen Lebensumstände dessen, der bislang mit Arbeit Geld verdient hat, anders sind, als die desjenigen, der sich schon lange mit den sozialen Hilfesätzen arrangiert hat. Der Lebens-Einschnitt in Hartz IV zu fallen ist für Ersteren viel dramatischer. Zudem ist an zu nehmen, dass gerade Einer, der immer gearbeitet hat und noch nicht lange in Arbeitslosigkeit ist, sich weiterhin intensiv um Arbeit bemühen wird. Der Zustand der Arbeitslosigkeit ist insofern gerade hier ein möglicherweise nur vorübergehender, bedroht im derzeitigen System aber bereits nach 12 Monaten die gesamte Existenz und führt dadurch oft gerade dazu, dass die Motivation verloren geht oder der Rückweg in die Erwerbstätigkeit ganz verbaut wird.
Natürlich sind die Hartz-Gesetze nicht von der FDP zu verantworten, aber ich erkenne bislang auch nicht die ausreichende Bestrebung unserer Partei, diese nachhaltig zu korrigieren und für soziale Gerechtigkeit im liberalem Sinne zu sorgen. Insofern ist unsere Partei bis zur Stunde noch lange keine Partei für alle Bürger, was ich bedauerlich finde.
Mein Wunsch-Modell wäre daher weiterhin ein bedingungsloses Bürgergeld als Grundsicherung für jeden erwerbsfähigen Bürger, der keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht, egal aus welchem Grund das so ist. Diese Bürgergeld sollte über den derzeitigen Hartz-Sätzen liegen um nicht nur die nackte Existenz, sondern auch einen Minimal-Wohlstand zu sichern. Denn wir sind immer noch eine Wohlstands- und Konsumgesellschaft, weshalb nicht ein zu sehen ist, wieso dass nicht für alle Bürger gelten sollte.
Für Menschen die aus der Erwerbstätigkeit in die Arbeitslosigkeit kommen sollte es darüber hinaus über einen gewissen Zeitraum, sagen wir mindestens 36 Monate, eine zeitlich degressiv gestaffelte, nach dem vorherigen Einkommen bemessene Zulage zum Bürgergeld geben. Sinnvolle, gleichwohl sehr spezielle Maßnahmen der aktuellen Politik, wie z.B. das Elterngeld, könnten darin aufgehen.
Nun wird man mir entgegen halten, dass durch ein Bürgergeld über den Hartz-Sätzen ja die Differenz zwischen niedrigen Erwerbseinkommen und sozialer Sicherung zu gering sein könnte, so dass sich die Arbeit für bestimmte Berufsgruppen nicht mehr lohnen würde.
JA, das ist so und das soll auch so sein!!!
Wenn nämlich eine Friseurin oder Krankenschwester (weil das die beliebtesten Beispiele sind), die 800,00 € netto verdient, aber vielleicht 650,00 € Bürgergeld bekäme, deswegen nicht mehr arbeiten ginge und dass kein Einzelfall wäre, dann würde es bald nicht mehr genügend Friseurinnen oder Krankenschwestern geben, was ein Glück wäre, nicht weil ich nun Anhänger langer Haare oder mangelhafter medizinscher Versorgung wäre.
Nein, wir als Liberale sollten doch wissen was dann passiert! Die Marktwirtschaft würde ihre zwangsläufigen Mechanismen aktivieren müssen und die entstandene Mangelsituation durch Preisanstieg bekämpfen. Ein Haarschnitt würde teurer werden, weil die Friseurinen mehr verdienen müssten, damit sie überhaupt zur Arbeit gehen und es für sie lohnt – um bei diesem Beispiel zu bleiben.
EINE MINDESTLOHNDEBATTE WÄRE HINFÄLLIG, weil sich Dumpinglöhne auch excellent über Arbeitskräftemangel bekämpfen lassen, den der Staat mit einem entsprechenden Bürgergeldniveau erzeugen könnte.
Die Lohngrenze nach unten definiert der Staat über Hartz IV schon jetzt und trägt durch die zu niedrigen Sätze kontraproduktiv dazu bei, dass Unterbezahlung überhaupt erst möglich wird. Über ein angemessenes Bürgergeld, welches soziales Netz und Mindest-Wohlstandsicherung für alle wäre, könnte auch zu billige Arbeit unattraktiv gemacht werden. Das Regulativ des Lohnniveaus gerade im Niedriglohnsegment wäre, statt Leidensdruck, wieder Angebot und Nachfrage und damit ein urliberales Prinzip.
Schreibe einen Kommentar